Das ist kein Abfall: Nebenprodukte für eine zirkuläre Zukunft nutzen

Waste

18. Sept. 2025

4 Min

Ähnliche Tags:

Kreislaufwirtschaft

Ob als Flugtreibstoff aus Bioölen oder als Kunststoff, der zu neuen Werkstoffen verarbeitet wird — Abfall wird zunehmend als wertvolle Ressource genutzt. Unternehmen gewinnen aus Abfallströmen neue Kraftstoffe, Chemikalien und Produkte und machen deutlich: Abfälle markieren nicht das Ende von Wertschöpfungsketten, sondern den Beginn neuer Kreisläufe.

Was wäre, wenn Abfälle nicht am Ende, sondern am Anfang der Verwertungskette stünden?

Von landwirtschaftlichen Rückständen über gebrauchte Bioöle und Altkunststoffe bis hin zu CO2 – wegweisende Projekte verwandeln vermeintliche Abfallströme in Kraftstoffe, Chemikalien und wertvolle Materialien. So wird eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft möglich. 

In der Vergangenheit stand Abfall meist am Ende eines linearen Systems: Produkte wurden hergestellt, benutzt und anschließend entsorgt – ein ineffizientes und umweltschädliches Einwegmodell. Wir müssen daher die globalen Abfallströme neu denken. Denn Abfall ist nicht grundsätzlich nutzlos, sondern eine wertvolle Ressource, die als solche genutzt werden sollte.

Nur wenn Unternehmen Abfall als Ressource und Grundlage für neue Produkte begreifen, können sie nachhaltig wirtschaften und ihre Netto-Null-Ziele erreichen. Wer es mit Klima- und Nachhaltigkeitszielen ernst meint, hat keine Wahl: Recycling und die Wiederverwendung von Materialien sind Pflicht.

Der Ansatz, Abfall aufzuwerten, ist heute keine graue Theorie mehr, sondern gelebte Praxis. So wandelt beispielsweise die OMV Raffinerie Schwechat, eine der größten Europas, gebrauchtes Bioöl (wie etwa Altspeisefett) in nachhaltigen Flugtreibstoff (Sustainable Aviation Fuel, SAF) um. Damit haben die Verantwortlichen bewiesen, dass sich aus gebrauchten Grundstoffen qualitativ hochwertige Produkte herstellen lassen.

Wie kann gebrauchtes Bioöl für die Mobilität genutzt werden?

Das komplexe Verfahren besteht aus vielen Einzelschritten. Zunächst muss das gebrauchte Bioöl gesammelt und vorgereinigt werden, um Verunreinigungen durch Phosphor, Chlor, Metalle und Wasser zu entfernen. Im nächsten Schritt wird dem Öl mithilfe von Wasserstoff der Sauerstoff entzogen, wodurch die Fette in lange Kohlenwasserstoffketten umgewandelt werden. Ziel ist es, die Abfallstoffe in ihre nützlichen Basiskomponenten aufzuspalten. Abschließend wird der Kraftstoff zu Flugtreibstoff raffiniert, der auch bei niedrigen Temperaturen in großer Höhe eine maximale Leistung garantiert.

SAF hilft, den Kohlenstoffkreislauf zu schließen und ermöglicht einen verantwortungsvollen Übergang von Rohöl und Erdgas hin zu nachhaltigen Treibstoffen. Diese lassen sich nahtlos in bestehende industrielle Strukturen integrieren und können fossile Rohstoffe schrittweise setzen.

Kunststoffen eine zweite Chance geben

SAF zeigt, dass ein alltägliches Nebenprodukt wie Bioöl erfolgreich wiederverwertet werden kann. Doch auch einer der schwierigsten Abfallströme überhaupt lässt sich erheblich aufwerten: Kunststoffe. Beim herkömmlichen Kunststoffrecycling werden Polymere nach und nach zersetzt. Dies kann mit der Zeit zu Qualitätseinbußen führen, sodass die aufbereiteten Kunststoffe oft mit neuen gemischt werden, um ihre Leistungsfähigkeit zu erhalten.

Um dem entgegenzuwirken, werden Kunststoffabfälle in einer stabilen Prozessumgebung, in der keine unerwünschten chemischen Reaktionen stattfinden können, auf 400 bis 450 °C erhitzt und in Pyrolyseöl umgewandelt. Dieses Öl kann dann zu hochwertigen neuen Kunststoffen raffiniert werden. Mit fortschrittlichen Verfahren wie ReOil® lassen sich Materialien herstellen, die den Qualitätsstandards neuer Kunststoffe entsprechen und sich somit für anspruchsvolle industrielle Anwendungen eignen.

Die Beispiele zeigen, was alles möglich ist, wenn wir Abfälle nicht als Problem, sondern als Chance begreifen. Und das ist erst der Anfang.

Das Potenzial landwirtschaftlicher Rückstände nutzen

Landwirtschaftliche Rückstände zählen zu den weltweit häufigsten Abfallströmen. Sie bieten eine weitere Möglichkeit, Werte zu schöpfen und Rohstoffkreisläufe zu schließen.

Rückstände wie Reis-, Weizen- und Maisstroh sind ideale Ausgangsmaterialien für wertvolle chemische und energetische Produkte. Aktuell tragen sie jedoch zur Steigerung statt zur Reduzierung von Emissionen bei. Beim Reisanbau fällt beispielsweise schwer abbaubares Reisstroh an, das nicht auf den Feldern liegen bleiben kann. In der Regel wird es in großem Stil verbrannt.

Dabei entstehen winzige Ruß- und Staubpartikel, die Kohlendioxid freisetzen, die Luft verschmutzen und Atemwegserkrankungen bei Menschen auslösen können. Studien haben gezeigt, dass 2015 durch die Verbrennung von Reisstroh in Vietnam 150.000 Tonnen Feinstaub freigesetzt wurden. Dies entspricht bis zu 18 Prozent der gesamten Feinstaubbelastung des Landes.

Die produktive Nutzung von Reisstroh käme nicht nur der Umwelt zugute, sondern würde den Landwirt:innen auch eine zusätzliche Einkommensquelle verschaffen.

Mithilfe von Fraktionierung und Depolymerisierung können verschiedene landwirtschaftliche Rückstände, wie beispielsweise Reisstroh, in Zucker und andere nutzbare Moleküle umgewandelt werden. Diese lassen sich anschließend mit der bestehenden Raffinerieinfrastruktur zu mikrobiellen Ölen, nachhaltigen Kraftstoffen oder grünen Polymeren weiterverarbeiten.

Reisstroh ist nur einer von vielen organischen Rückständen, die weltweit in großem Umfang weggeworfen werden. Wenn wir diese Abfallströme als Chance begreifen, können wir gleichzeitig Emissionen senken und Landwirt:innen unterstützen. Fest steht: „Abfall“ ist nur, was wir nicht nutzen.

Die Grundlagen für eine echte Kreislaufwirtschaft schaffen

Viele dieser Verfahren haben sich im kleinen Maßstab weltweit bewährt. Ihre Umsetzung im industriellen Maßstab ist jedoch eine enorme Herausforderung. Die Ausgangsstoffe variieren oft in ihrer Zusammensetzung und sind von den Jahreszeiten sowie geografischen Faktoren abhängig. All dies erfordert Flexibilität und eine sorgfältige technische Planung. So enthält gebrauchtes Speiseöl aus verschiedenen Ländern unterschiedliche Mengen an Salz. Durch das Salz können Metalle in den Verarbeitungsanlagen korrodieren. Die Verfahren müssen also an variable Abfallströme angepasst werden, um durchgehend hochwertige Ergebnisse zu gewährleisten.

Der Schlüssel liegt in der richtigen Strategie: OMV entwickelt, erprobt und fördert Innovationen, die die übliche Vorstellung von Abfällen auf den Kopf stellen. Damit aus vermeintlichen Abfällen zuverlässige Rohstoffquellen für ganze Branchen werden, braucht es nun gezielte Unterstützung, ausreichende Finanzierung und mehr öffentliche Aufmerksamkeit. Innovative Verfahren sind dabei nur eine Seite der Medaille. Die andere Seite besteht darin, belastbare Partnerschaften, Infrastrukturen und industrielle Standards zu schaffen, um die Abfallverwertung aus der Nische zu holen und sie zu einer gängigen globalen Praxis zu machen.

Die Beispiele zur Wiederverwertung von Bioöl, Altkunststoffen und landwirtschaftlichen Rückständen zeigen, wie die Kreislaufwirtschaft funktionieren kann. Indem wir Abfall in hochwertige Kraftstoffe, Chemikalien und Materialien umwandeln, beweisen wir, dass Abfall nicht zwangsläufig als Müll enden muss. Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit schließen sich nicht gegenseitig aus.

Weltweit sehen wir zahlreiche konkrete Ergebnisse bei der industriellen Abfallverwertung. Der Erfolg belegt, dass innovative Prozesse und die Verantwortung für Gesellschaft und Umwelt Hand in Hand gehen. Abfall ist somit nicht das Ende, sondern der Beginn eines neuen Wertschöpfungskreislaufs.