Erdwärme: Ein Schatz wird gehoben

Geysir from above

3. Dez. 2024

7 Min

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Exploration
Geothermal energy

Technologische Innovationen transformieren die Geothermie – und eröffnen neue Chancen für die Energiewende.

Das Prinzip der Geothermie ist einfach: Die natürliche Wärme unter der Erdoberfläche wird als erneuerbare Energiequelle für Heizwärme und Strom eingesetzt. Durch tiefe Bohrungen wird das heiße Formationswasser an die Oberfläche gepumpt und zur Wärme- oder Stromerzeugung genutzt.

Bislang fristet die Geothermie jedoch ein Nischendasein, da sie vor allem in Gebieten mit natürlichen hydrothermalen Ressourcen zum Einsatz kommt. Um diese uralte Energiequelle in großem Maßstab nutzen zu können, bedarf es neuer, innovativer Technologien.

Energiequelle mit langer Geschichte

Schon in der Steinzeit wussten die Menschen um die Kraft der Erdwärme und badeten gerne in heißen Thermalquellen. Nach der Eroberung Britanniens nutzten die Römer das heiße Wasser der Kalkaquifere zum Heizen ihrer Häuser. 

Geothermische Fernwärme verbreitete sich im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert, und im Laufe des 20. Jahrhunderts wurde Erdwärme zunehmend zur Stromerzeugung genutzt – das erste kommerzielle Erdwärmekraftwerk stammt aus dem Jahr 1911. Seitdem ist die geothermische Stromerzeugung langsam, aber stetig gewachsen und hat 2021 weltweit eine installierte Gesamtkapazität von rund 16 GWe erreicht.

Inzwischen ist das Interesse an der Erdwärme neu erwacht: Wir brauchen saubere Energiequellen zur Erzeugung von Grundlaststrom als Ergänzung zu den fluktuierenden Energiequellen aus Wind und Sonne. Geothermie ist wetterunabhängig und praktisch unerschöpflich und könnte mehr als genug Energie liefern, um den weltweiten Bedarf zu decken.

Ein steiniger Weg?

Trotz ihres enormen Potenzials wurde bisher deutlich weniger in die Geothermie investiert als in andere erneuerbare Energien wie Wind und Sonne – vor allem wegen offener Fragen zur Wirtschaftlichkeit und Skalierbarkeit. Geothermische Kraftwerke sind aufgrund der hohen Vorlaufkosten für Exploration und Bohrung noch relativ teuer. Zudem sind hydrothermale Ressourcen in der Regel lokal begrenzt, was ihre großtechnische Nutzung erschwert, da beim Transport über weite Strecken Wärmeverluste auftreten.

Hier setzen technologische Innovationen an: Mit ihrer Hilfe können wir diese Probleme lösen und das Potenzial der Geothermie voll ausschöpfen.

Innovationen in der Geothermie

Neue und optimierte Bohrtechniken ermöglichen es, in heißere Erdschichten vorzudringen und die Erdwärme in mehr Regionen als bisher nutzbar zu machen. Mithilfe der Hochdruck- und Hochtemperaturtechnik (HPHT) können wir deutlich tiefer bohren und Flüssigkeiten mit extrem hohen Temperaturen erreichen, während wir mit Horizontalbohrungen ein deutlich größeres Volumen geothermischer Lagerstätten erschließen können. Im Vergleich zu vertikalen Bohrungen kann so deutlich mehr Wärme gewonnen werden. Viele dieser Technologien haben sich seit den 1990er-Jahren in der Öl- und Gasindustrie bewährt. 

Auch maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz tragen dazu bei, Erdwärme effizienter zu nutzen.



Laut einer Studie des Geothermie-Programms der Stanford University können wir mithilfe von KI bessere Untergrundmodelle erstellen, Bohrungen effizienter durchführen und geothermische Lagerstätten optimaler managen: Ziel ist es, die ergiebigsten Gebiete von vornherein zu identifizieren und Probleme zu lösen, bevor sie auftreten. 

Verschiedene innovative Anlagen und Technologien ermöglichen die Nutzung der Erdwärme in deutlich mehr Regionen als bisher, darunter Enhanced Geothermal Systems (EGS) und Advanced Geothermal Systems (AGS). Bei EGS werden beispielsweise Flüssigkeiten unter hohem Druck in tiefe, heiße Gesteinsschichten gepresst und die erhitzten Flüssigkeiten anschließend wieder an die Oberfläche gepumpt. EGS-Systeme werden seit den 1970er-Jahren in begrenztem Umfang eingesetzt und derzeit weiterentwickelt. 

Mit ultratiefen Bohrungen (bis zu 20 km unter der Erde) könnten überall auf der Welt Temperaturen von bis zu 500°C erreicht werden. In solch extremen Tiefen und bei solch hohen Temperaturen geht Wasser in einen „überkritischen Zustand“ über und erreicht eine Dichte, die vier- bis zehnmal höher ist als die normale Dichte von Wasser oder Dampf. Dies könnte genutzt werden, um extrem effiziente überkritische Dampfgeneratoren anzutreiben. Die Technologie befindet sich allerdings noch im Versuchsstadium, und es gibt keine Garantie dafür, dass diese Systeme in naher Zukunft marktreif sein werden. 

Unsere Projekte

Unser Ziel als OMV ist es, einen wesentlichen Beitrag zur Energiewende zu leisten. Wir nutzen unsere langjährige Erfahrung in der Untergrund- und Bohrtechnik für den Ausbau unseres Geothermiegeschäfts und wollen bis 2030 eine Kapazität von rund 4 TWh erreichen.


Im vergangenen Jahr haben wir uns mit einer Millioneninvestition an Eavor Technologies Inc. beteiligt und eine Kooperationsvereinbarung zur Einführung der Eavor-Loop™-Technologie in Europa und darüber hinaus unterzeichnet. Diese geothermische Technologie der nächsten Generation nutzt geschlossene Kreisläufe tief unter der Erde. Dabei zirkuliert eine Flüssigkeit zwischen der Oberfläche und einer Reihe von geschlossenen Kreisläufen im Gestein und nimmt die dort gespeicherte Wärme auf. Der Vorteil: Die Methode ermöglicht es, geothermische Energie für Heizungsanlagen in Gebieten zu nutzen, in denen traditionelle hydrothermale Ressourcen nicht zur Verfügung stehen, da diese Technologie unabhängig von den Wasservorkommen in der Tiefe ist.


Darüber hinaus haben wir gemeinsam mit Wien Energie das Joint Venture „deeep“ gegründet. Ziel ist es, bis zu 200 MW klimaneutrale Fernwärme für bis zu 200.000 Haushalte aus Geothermie zu erzeugen. Das erste „deeep“-Projekt befindet sich aktuell in der Umsetzungsphase: eine Geothermieanlage in Aspern, nordöstlich von Wien. In Kombination mit Wärmepumpen wird die Anlage eine Leistung von 20 MW haben. Die erste Wärme wird 2028 geliefert – genug, um 20.000 Haushalte mit Fernwärme zu versorgen und dabei bis zu 54.000 Tonnen CO2 pro Jahr einzusparen.

Der Mensch nutzt Erdwärme schon seit Jahrtausenden. Doch noch nie brauchten wir diese saubere und zuverlässige Energiequelle so dringend wie heute, denn sie kann in den kommenden Jahren einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, unseren Energiebedarf klimaneutral zu decken.