Dekarbonisierung in der Praxis: Scheuklappen überwinden und Probleme anpacken

Two OMV employees talking on a rooftop with fjord, mountains, and modern buildings in the background in Norway.

14. Juli 2025

4 Min

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Carbon Capture Storage

Das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 ist eine der schwierigsten und zugleich dringendsten Herausforderungen unserer Zeit – insbesondere für CO₂-intensive Branchen. In der Zement-, Stahl- und Chemieindustrie führt deshalb wohl kein Weg an Carbon Capture and Storage (CCS) vorbei.

Warum dekarbonisieren?

Das Pariser Klimaabkommen sieht vor, die globale Erwärmung auf deutlich unter 2°C zu begrenzen, um die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels zu vermeiden. Dazu gehören steigende Meeresspiegel, durch die kleine Inselstaaten überschwemmt werden könnten, ein katastrophaler Verlust an Artenvielfalt und deutlich heftigere Hitzewellen — mit weitreichenden Folgen.

„Der Klimawandel verursacht nicht nur viel menschliches Leid, sondern auch enorme finanzielle Kosten“, sagt Angelika Zartl-Klik, Senior Vice President für das Low Carbon Business bei OMV. „Wir müssen unsere CO₂-Emissionen reduzieren.”

Das Pariser Abkommen schreibt vor, den Ausstoß von CO₂ und anderen Klimagasen bis 2050 auf netto null zu reduzieren, um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen. Dies erfordert eine Umgestaltung unserer gesamten Wirtschafts- und Produktionssysteme, vor allem mit Blick auf Energie, Verkehr, Bauwesen und Landwirtschaft. So müssen beispielsweise mindestens 98% des Stroms bis 2050 klimaneutral erzeugt und erneuerbare Energien massiv ausgebaut werden, um fossil betriebene Kraftwerke bis dahin zu ersetzen.

All das ist schon lange bekannt, doch wir kommen nicht schnell genug voran. Die Umsetzung der aktuellen nationalen Klimapläne würde die Treibhausgasemissionen bis 2030 nur um 2,6 % (im Vergleich zu 2019) reduzieren. Nötig wären jedoch 43 %, um das Pariser Klimaziel zu erreichen.

It’s not easy being green

Für sogenannte Hard-to-Abate-Sektoren wie die Zement-, Stahl- oder Bauindustrie ist das Ziel der Klimaneutralität besonders herausfordernd. Es gibt für sie keine praktikablen nachhaltigen Alternativen, wie etwa die Umstellung von Kohle auf erneuerbare Energien zur Stromproduktion. „Das CO₂ wird durch die Verarbeitung der Rohstoffe freigesetzt, und in der Zement- oder Betonproduktion lässt sich daran nichts ändern“, sagt Zartl-Klik. „Hard-to-Abate bedeutet genau das: Wer Zement oder Beton will, muss die Emissionen in Kauf nehmen.“

Die Bauindustrie verbraucht enorm viel Beton. Tatsächlich wird weltweit kein Material in größeren Mengen hergestellt. Beton ist für unsere bebaute Umwelt, die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung sowie die Anpassung an den Klimawandel — etwa beim Bau von Hochwasserschutzanlagen — von entscheidender Bedeutung. Die Kehrseite ist jedoch ein CO₂-Fußabdruck, der rund 4 bis 8 % der weltweiten Gesamtemissionen entspricht. 

„Beton besteht hauptsächlich aus Zement, der ihn fest und langlebig macht“, sagt Jan Theulen, Director CCUS Business Development & Partnerships bei Heidelberg Materials. „Zement ist aber auch der Bestandteil, der für den hohen CO₂-Fußabdruck verantwortlich ist.“ Denn die Herstellung von Portlandzement, der am weitesten verbreiteten Zementart, erfordert mehrere CO₂-intensive Produktionsschritte, die sich nicht leicht dekarbonisieren lassen. Zement besteht im Wesentlichen aus Klinker. Bei dessen Herstellung wird Kalkstein in einem Elektroofen zu Kalziumoxid erhitzt, wobei das im Kalkstein enthaltene CO₂ freigesetzt wird.

"Wir sind unseren nächsten Generationen schlichtweg verpflichtet, unseren CO2-Fußabdruck so weit wie möglich zu reduzieren, und wissen Sie was: Es ist spannend, das zu verwirklichen!"

Jan Theulen, Director CCUS Business Development & Partnerships, Heidelberg Materials

Wir müssen alle verfügbaren Hebel nutzen

Dennoch ist es möglich, diese Sektoren zu dekarbonisieren. Die gleichen Produkte lassen sich mit geringeren oder sogar ganz ohne Treibhausgasemissionen herstellen, etwa durch Effizienzsteigerungen oder den Einsatz weniger umweltschädlicher Brennstoffe.

Laut Theulen stehen der Bauindustrie hierfür einige Hebel zur Verfügung. Zum einen könnte sie das Problem der Verschwendung angehen und ihren Betonverbrauch reduzieren. Zum anderen könnten Bauträger die mit einer nachhaltigeren Produktion verbundenen Kostensteigerungen verkraften, da die Materialkosten für Beton vergleichsweise niedrig sind. „In einem Neubau ist Beton für ca. 2 % der Kosten, aber 50 % der CO₂-Emissionen verantwortlich“, sagt Theulen. „Wenn das Material aufgrund der Dekarbonisierungsmaßnahmen teurer wird, bedeutet das nicht, dass Bauen dadurch unerschwinglich wird. Ein Gebäude kann auch dann noch entwickelt werden, wenn sich der Zementpreis verdoppelt und die Baukosten um 2 % steigen.“

Zahlreiche Wissenschaftler:innen und Ingenieur:innen arbeiten an innovativen Lösungen, um die Betonproduktion zu dekarbonisieren. Sie suchen unter anderem nach geeigneten Alternativen zu Kalkstein als Rohstoff und arbeiten an Verfahren zur Klinkerherstellung, die ohne starkes Erhitzen auskommen. Dazu gehören elektrochemische Prozesse, die mit erneuerbaren Energien betrieben werden, oder die Nutzung von Mikroorganismen zur Herstellung von Kalziumkarbonat. Allerdings sind diese Lösungen derzeit nur schwer skalierbar. Die Materialien, die Klinker bei gleichbleibend hoher Qualität ersetzen könnten — beispielsweise Verbrennungsasche — sind leider nur sehr begrenzt verfügbar. „Die weltweite Nachfrage nach Zement und Beton ist so stark, dass es keine Ersatzstoffe gibt, die auch nur ansatzweise den Bedarf decken könnten“, erklärt Theulen. 

Aus diesem Grund – und als Ergänzung zu anderen Dekarbonisierungsmaßnahmen — müssen wir unbedingt die Möglichkeit der CO₂-Entfernung durch Carbon Capture and Storage (CCS) in Betracht ziehen.

"Wenn man sich die Zahlen ansieht, sind CCUS und CDR unerlässlich. Beide sind wichtige Optionen, die eine funktionierende Transportinfrastruktur erfordern, um ihr Potenzial zur Erreichung der Klimaneutralität zu ermöglichen."

Martin Frings, Head of Business Development CO2, OGE

Eine marktreife technische Lösung

Branchen, die ihre Emissionen bis 2050 nicht vollständig vermeiden können, müssen ihre CO₂-Bilanz durch entsprechende Maßnahmen ausgleichen. Sie können das durch naturbasierte Lösungen wie Aufforstung, aber auch durch technologische Innovationen wie CCS erreichen.

Vereinfacht ausgedrückt ist CCS ein dreistufiges Verfahren, bei dem CO₂ abgeschieden, transportiert und in einer sicheren unterirdischen Lagerstätte dauerhaft gespeichert wird. Wenn CO₂ direkt an der Quelle -– beispielsweise dem Schornstein eines Hochofens — abgefangen wird, entweichen die Emissionen aus den Hard-to-Abate-Sektoren erst gar nicht in die Atmosphäre. In diesem Zusammenhang ist CCS ein wichtiger Baustein auf dem Weg zur Klimaneutralität.

„Wenn wir Net Zero wirklich erreichen wollen, geht es nicht ohne Carbon Capture“, sagt Theulen. „Gleichzeitig ist das nur ein Hebel unter vielen — wir arbeiten auch weiterhin daran, weniger Klinker zu verbrauchen und Zement nachhaltiger herzustellen.“ 

Bei OMV sind wir uns bewusst, dass die CO₂-Emissionen so schnell wie möglich sinken müssen – und dass CCS das Potenzial hat, die Hard-to-Abate-Sektoren dabei zu unterstützen. Deshalb haben wir uns das strategische Ziel gesetzt, diesen Industrien CCS-Lösungen anzubieten. Zartl-Klik legt die Betonung auf Hard-to-Abate: „Wir stellen nur diesen Industrien CCS-Kapazitäten zur Verfügung — und halten uns in jedem Fall an die Regeln.“