Am 1. Juni 1968 wurde in Wien ein aus heutiger Sicht historischer Vertrag unterzeichnet, der Österreichs Rolle als Kernland in Europas Erdgasverbund begründete. Ein anekdotischer Blick auf eine außergewöhnliche russisch-österreichische Partnerschaft und entscheidende Momente der Geschichte.
Schauplatz Wiener Argentinierstraße. In der sowjetischen Handelsvertretung ist alles für den großen Moment vorbereitet. Auf dem rechteckigen Tisch – bestückt mit Mikrofonen, Aschenbechern und je einem sowjetischen und österreichischen Wimpel – haben fünf Herren Platz genommen und ihre Füllfedern gezückt. Vor ihnen liegen Schrifstücke. Im Hintergrund beugen sich Männer über den Tisch und weisen mit Fingerzeig auf jene Stellen, an denen die Unterschriften zu setzen sind. Der Moment ist gekommen. Der Generaldirektor der OMV (damals noch ÖMV), Ludwig Bauer, und sein Stellvertreter Friedrich Feichtinger, voest-Generaldirektor Herbert Koller, der stellvertretende Minister für Außenhandel der UdSSR Nikolaj Ossippow und Igor Fedorow, stellvertretender Präsident der V/O Sojusnefteexport (Vorgänger der heutigen Gazprom Export) unterfertigen Verträge, die (neben Röhrenlieferung und Kreditabkommen) die Lieferung von Erdgas aus der UdSSR nach Österreich über einen Zeitraum von 23 Jahren vorsehen. Das Vertragswerk wird in die Geschichtsbücher beider Länder und in jene der Energieversorgung Europas eingehen. Man schreibt den 1. Juni 1968.
Erdgas hatte damals wie heute eine große Bedeutung im Portfolio der OMV. Für Österreich war und ist es ein günstiger Energieträger, und auch in den nächsten Jahrzehnten wird die Nachfrage nach Erdgas in Europa weiter steigen. Die mittlerweile 50 Jahre andauernde Kooperation mit Russland ist eine Win-win-Situation. Andrea Reiss, Relations Management Russia, OMV Aktiengesellschaft
Vertrauen in Zeiten der Unruhe
Während in der Argentinierstraße eine feierliche Stimmung den Raum erfüllt, ist die Welt draußen in Unruhe. Dass Sowjets und Österreicher in Zeiten des Kalten Krieges an einem Tisch sitzen, um eine gemeinsame wirtschaftliche Zukunft zu vereinbaren, ist alles andere als selbstverständlich. Rudolf Gruber, 1968 Generaldirektor des Stromversorgers Newag und heute der einzige lebende österreichische Zeitzeuge, der aktiv an den Unterschriftsverhandlungen mitgewirkt hat, weiß, warum die Pionierleistung gelungen ist: „Das Besondere in den Jahren vor und nach dem Staatsvertrag von 1955 war, dass durch die laufende Zusammenarbeit von sowjetischen und österreichischen Verantwortlichen, aber auch Behörden und politischen Institutionen mit der Zeit eine starke Vertrauensbeziehung entstanden ist.“
Österreich bricht das Eis
Der Vertragsabschluss kommt zum richtigen Zeitpunkt. Österreich, das seit Anfang der 1960er-Jahre das Stadtgas mit Erdgas substituiert, sieht sich mit einer stark steigenden Nachfrage nach dem Rohstoff konfrontiert, die das Land ohne Importe nicht mehr befriedigen kann. Für die UdSSR öffnet sich nach 1968 das Tor nach Westeuropa. Österreich hat das Eis gebrochen, es folgen Verträge mit Italien, der BRD und Frankreich. Pipelines werden gebaut, die auf Erdgas aufbauende Energiewirtschaft beginnt zu florieren. Es kommt mit den Jahren zu Folgeverträgen und die Mengen, die aus der UdSSR an die europaweite Verteilstation Baumgarten in Niederösterreich geliefert werden, nehmen exponentiell zu. Waren es 1968 noch 140 Millionen Kubikmeter, so sind es 1991 bereits mehr als fünf Milliarden.
1991 ist auch das Jahr, in dem das OMV Büro in Moskau seine Pforten öffnet. Geleitet wird es ab 1993 von Andrea Reiss, die fortan die Rolle als OMV Kontakperson für die russischen Geschäftspartner übernimmt. Bei ihr laufen viele Fäden zusammen, in ihrer Funktion wird sie über die Jahrzehnte zahlreiche Vertragsverhandlungen und -unterzeichnungen mitgestalten und -erleben.
Würstel bei der Oper
An Anekdoten zum Thema herrscht bei ihr kein Mangel. Einen bleibenden Eindruck hinterlässt etwa eine Episode in Wien. Man war am Ende einer zwei Jahre andauernden Verhandlung angekommen, die lange Zeit unter keinem guten Stern gestanden war. „Als wir dann eines Nachts um zwei Uhr früh die Verträge unterschriftsreif vor uns hatten, dachte nach der harten Arbeit niemand daran, zu Bett zu gehen.“ Gemeinsam wurde der Würstelstand bei der Oper aufgesucht. „Der Betreiber, der eigentlich gerade zusperren wollte, war sich der Bedeutung seiner Würstel für unser Land wohl bewusst und ließ extra für uns offen.“ Unterzeichnet wurde noch am selben Morgen, um 10 Uhr.
Dass jahrelange Verhandlungen zuweilen auf eine veritable „Beziehungsprobe“ hinausliefen, ist Andrea Reiss nur zu gut in Erinnerung. „Wir haben es aber immer geschafft, ausreichend Profis zu sein und die berufliche von der menschlichen Ebene zu trennen.“ Nicht zuletzt Humor und gastfreundliche Gemütlichkeit sind für sie zwei der Eigenschaften, die Russen und Österreicher verbinden und zueinander führen: „Daraus haben wir Vertrauen, Respekt, Verständnis und gegenseitige Wertschätzung geschöpft, die für den Erfolg langjähriger Beziehungen notwendig sind.“
Der „Strom“ reißt nicht ab
Dass die 50-jährige Partnerschaft zwischen Gazprom und OMV nach wie vor erfolgreich und lebendig ist, bezeugen unter anderem 45 Milliarden Kubikmeter Erdgas, die alleine 2017 von den sibirischen Jamalfeldern nach Baumgarten an der March geströmt sind. Im Laufe des Jahres 2018 wird der insgesamt 200-milliardste Kubikmeter an russischem Erdgas nach Österreich importiert. Eine Reihe von langfristigen Gaslieferverträgen sieht den Transport über Österreich nach Europa auch in den nächsten Jahrzehnten vor. Zuvor gilt es aber noch die „Goldene Hochzeit“ mit einer großen Gala gebührend zu begehen. Den würdigen Rahmen bildet die Wiener Hofburg. Der Würstelstand bei der Oper ist gerüchteweise auch schon informiert – für Gäste in Feierlaune.
Hier geht es zu weiteren Meilensteinen der 50 Jahre Partnerschaft zwischen OMV and Gazprom:
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